feld studie : andere deutsche

mein feld-wochen-buch über die internet-community asia-zone.de

27.6.05

 

Ich merke, wie ich eine gewisse Routine mit der asia-zone.de bekommen. Ich gehe auf die Seite, gucke mir kurz die AZ-News und die Werbung an (das „Fernsehprogramm für Asiaten“ hat seinen Platz mit Werbung getauscht, die jetzt besser ins Auge fällt) und logge mich ein, schaue mir mein Profil an (vier Kommentare von zwei Benutzern im Gästebuch) und gucke, wie viele BenutzerInnen mein Profil angeschaut haben (23), danach gehe ich ins Forum – ebenfalls mit Tunnelblick scheint mir. Ich weiß nicht, ob das so gut ist.

Deshalb habe ich mir heute das erste Mal die Rubrik „Ernährung und Gesundheit“ angeschaut. Chinesen verspeisen also Säuglinge... Der Link zu den Fotos funktioniert zwar nicht mehr, sie sind aber schnell zu finden und zeigen eine fragwürdige Kunstaktion. Ich bin etwas schockiert darüber, mit welcher Ernsthaftigkeit dieses Thema diskutiert wird. Die wenigsten scheinen diese Behauptung anzuzweifeln, sie wird wie eine Tatsache behandelt. (Wer alles isst, was vier Beine hat und dazu noch Affengehirne, der isst auch Babys.) Nur an wenigen Stellen wird die Diskussion etwas differenzierter, einerseits wird die Gruppe der „Kinderfresser“ auf einen kleinen Teil der Chinesen eingegrenzt oder aber auf potentiell alle „Mitmenschen“, unabhängig von ihrer Nationalität, ausgeweitet. Die Themen Abtreibung und Fragen der Moral werden in die Diskussion aufgenommen. Dass der Link auf eine Seite mit dem Namen „nationalistvietnameseforum“ verweist, scheint nicht relevant zu sein, auch rotten.com wird als Quelle akzeptiert. (Ich merke, dass ich wenig Ahnung von gängigen Feindbildern und nationalistischen Abgrenzungen zwischen ost-asiatischen Ländern/Bevölkerungen habe.) Einige BenutzerInnen bemerken, dass sie froh sind, in Deutschland zu leben. (Und das, wo doch „die Anderen“ immer Säuglinge essen...)

Die Hausarbeit im Kopf schaue ich mir ein paar Threads noch einmal genauer an, weil ich merke, dass mich ein paar Sachen besonders interessieren. Wie positionieren sich die BenutzerInnen der asia-zone.de? Wovon und von wem grenzen sie sich ab? Worauf sind sie stolz? Welchen Blick haben sie auf ihre „Wurzeln“ und auf Deutschland? Auf welchen Stuhl setzen sie sich? Wer ist wann und wo AsiatIn, Deutsche/r, Vietnamese/in etc.?

Der Thread zur „erziehung von viets“ ist da recht interessant. Die Diskussion verläuft entlang verschiedener Linien, die (fast) alle einen klaren Gegensatz zwischen „deutscher“ und „vietnamesischer“ Erziehung aufmachen. Dabei wird betont, dass es sich um einen Generationenkonflikt handelt. Eine Sichtweise geht davon aus, dass Eltern und andere Verwandte nicht verstehen, dass Erziehung in Deutschland anders läuft – „fortschrittlicher“ nämlich. Hier wird ganz klar Anpassung an „deutsche“ Verhältnisse gefordert. Andere BenutzerInnen betonen, dass die „deutsche“ Erziehung zu „liberal, freizügig und offen“ wäre. Eine typische „asiatische“ Erziehung wird von einigen als ein notwendiges Festhalten an „asiatischer“ Kultur angesehen, woraufhin eine Abgrenzung zu anderen Gruppen von MigrantInnen (Polen, Russen und Türken) folgt, die als assimiliert betrachtet werden.

Auch hier kommt die Diskussion nicht an den Themen „Rasse“/“Rassenstolz“ („“asiatisch“ ist aber eine Rasse“) und „Nationalstolz“ vorbei. Interessanterweise wird von zwei Benutzern bemerkt, dass es in Asien keinen Stolz auf eine vermeintlich „asiatische Rasse“ gibt (Stolz auf das AsiatIn-Sein), sondern, dass in Asien Nationalstolz vorherrscht (Chinesen sind stolz darauf, Chinesen zu sein). Der Stolz auf „asiatische Wurzeln“ wird ganz klar als ein Phänomen der zweiten Generation bzw. als Phänomen im Internet beschrieben. Hier wird also der Konstruktcharakter der Identität „AsiatIn“ hervorgehoben.

Ich merke, wie ich es immer problematischer finde, bestimmte Begriffe zu benutzen. Ich könnte jedes zweite Wort in Anführungsstriche setzen.



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20.6.05

 

Ich war letzte Woche in Warschau und habe keine Zeit gefunden, mich mit der asia-zone.de zu beschäftigen. Heute sehe ich, dass ich nicht die Einzige bin, die die asia-zone.de für wissenschaftliche Zwecke besucht. Im Thread „Sind Inder und Araber Asiaten?“ hat ein Benutzer explizit nach Freiwilligen für Interviews gefragt. Vorher hatte er übrigens schon einen Post geschrieben, den ich schon letzte Woche ausgesprochen (und auffällig) theoretisch und auch unangenehm belehrend fand. (Und rassistisch...) In seinem zweiten Post hat er dann anscheinend versucht, die Diskussion, die sich zu dem Zeitpunkt vorrangig um Nationalismus und Patriotismus drehte, in Richtung asiatische Minderheit zu drehen, was von den anderen BenutzerInnen vorerst ignoriert wurde, es wurden einfach weiter die Begriffe Nationalismus und Patriotismus diskutiert. Auch seine ganzen Ausführungen zu erster und zweiter Generation, Tradition etc. wurden nicht weiter kommentiert. Ich persönlich würde es jedenfalls nicht so toll finden, wenn mir eine/r erklären würde, wie ich so bin (als Frau zum Beispiel) und, wie meine Welt so üblicherweise funktioniert, besonders, wenn ich mich mit dem Thema noch nicht aus einer theoretischen Perspektive beschäftigt hätte. Im Forum hat sich bisher noch keine/r für ein Interview zur Verfügung gestellt, vielleicht ja über andere Kanäle? Dieser ganze Thread ist jetzt für mich durch diese Entwicklung noch um einiges spannender geworden.

Die neueste Suche nach einer Asiatin ist nach wie vor unkommentiert. Es gab auch diese Woche vier Neuanmeldungen im Forum, also nicht mehr so viele, wie in der Woche zuvor. Ich selbst habe in meinem Gästebuch einen weiteren interessierten Kommentar zu meinen Berichten gefunden. Ich habe auch beiden eine kurze Antwort geschrieben in der ich sie zum Lesen und Kommentieren (auch kritisch) ermuntert habe. Im Thread „gleiches mit gleichem“ wurden Homosexuelle mit Pädophilen/Kinderschändern gleichgesetzt!



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13.6.05

 

Dass ich meine Feldbeobachtung in meinem Profil kund getan habe, hatte bis jetzt keine Auswirkungen – überhaupt haben sich nur vier BenutzerInnen mein Profil angesehen, und ich glaube mich zu erinnern, dass das schon vor letzter Woche passiert ist. (Der Link zu meinem Blog wurde nicht angeklickt.) Das hatte ich auch vermutet, Leute deren Profile viel besucht werden, haben meistens Fotos im Profil und schreiben viele Einträge in private Gästebücher.

Ups, habe doch gerade eben einen Eintrag in mein Gästebuch bekommen: die Person meint, dass das interessant klänge und will es sich durchlesen ... ich bin gespannt, habe aber auch ein wenig Angst, dass sich Leute angegriffen fühlen könnten und zum „Gegenangriff“ starten! (Mittlerweile waren sechs BesucherInnen auf meinem Profil.)

Dass im Forum jetzt Credits verteilt werden, scheint Wirkung zu haben. Ich habe die Anzahl der Beiträge im Forum zwar vorher nicht verfolgt, und habe demnach keine Vergleichszahlen, in der letzten Woche wurden aber ziemlich viele Beiträge geschrieben – 166! – und es haben sich knapp zehn (von 305) neue BenutzerInnen angemeldet.

Habe gemerkt, dass mich viele Threads wenig ansprechen, „Ist Selbstmord eine Lösung?“ ist einer von einigen langen und stetig wachsenden Threads auf die das zutrifft. Im Thread zur Hochzeitsmusik hat sich immer noch nichts getan.

Aber im Thread „Sind Inder und Araber Asiaten?“ hat sich einiges bewegt. Die Nationalstolz-Diskussion wurde fortgeführt. Irgendwann kam der Einwand, dass auffälliger Nationalstolz ein typisches Phänomen für im Ausland lebende AsiatInnen („Exilanten“, „Vietnamesen“, „Chinesen“) sein könnte. Von einigen wird betont, dass der (von mir bereits erwähnte) Begriff „vietpride“ typisch für das Internet (in Deutschland) wäre und nicht allzu ernst genommen werden sollte.

Seit letzten Montag gibt es mal wieder eine Suchanzeige von einem Mann, der eine Asiatin für eine Beziehung sucht. An Ende schreibt er, dass er keine dummen Sprüche lesen will und ergänzt, dass sie dort stecken gelassen werden sollen, “wo es dem Intelligenzmanko entsprechend entsorgt wird“. Das fand wohl keine/r der ForenbenutzerInnen nett, der Eintrag wurde seitdem nahezu ignoriert. Er wurde lediglich 14 mal angesehen (mindestens drei mal von mir), Kommentare gab es letztlich gar keine. Das war eine – das ist mein Eindruck – klare Absage an Pöbeleien „von Außen“. (Der Suchende hatte sich extra und nur für diesen Beitrag angemeldet und sich mit seinem Kommentar klar von den anderen ForenbenutzInnen abgegrenzt.)

In der Rubrik „Alltägliches aus aller Welt“ wurde en Thread zu „Neuwahlen“ angefangen. Insbesondere geht es um die Wahlprogramme verschiedener Parteien. Ich war erstaunt – und hier ertappe ich mich selber bei einem Vorurteil –, dass sehr wenig über „Ausländer/Einwanderungsproblematiken“ etc. diskutiert wird! Es geht in den Beiträgen viel eher um das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft und um, für notwendig erachtete, Reformen. Auch die CDU wird von vielen als Wahlmöglichkeit angesehen. Verschiedene Migrationshintergründe scheinen in den Überlegungen eine eher nebensächliche Rolle zu spielen.

Gerade noch einmal frisch auf den Gebrauch des Begriffs „Rasse“ sensibilisiert, fällt mir auf, dass dieser Begriff in der asia-zone.de unter anderem zur Selbstbeschreibung verwendet wird. Auf die Frage nach der „Rasse“ wird in einem Thread mit „Kaukase“ geantwortet. In der Messagebox wurde vor ein paar Tagen eine Frau gefragt, ob sie „Mischling“ wäre, was sie mit „ja, ich bin Mischling“ bejahte. In beiden Fällen erschien mir die Frage und die Reaktion der Angesprochenen normal und alltäglich. Ich persönlich würde doch sehr schlucken, wenn ich so direkt auf meine „Rasse“ oder auf meine „Mischung“ angesprochen werden würde. (Das kommt zwar ab und an vor, aber nicht mit diesen Begrifflichkeiten. Die Fragen sind dann viel „dezenter“, von wegen: „Auf dem Foto siehst du aus, wie eine Japanerin/ hast du asiatische Augen! Wo kommt das her?/ Hast du Asiaten in der Familie?“ Aber meine „Mischung“ ist ja auch viel dezenter – nahezu unsichtbar – und die vermeintlichen asiatischen Gene sind, so meinen die Leute, wenn überhaupt, vor langer Zeit in meine Familie gekommen.)

Zu den „10 Asia-Zone Forum Geboten“: Größtenteils das Übliche. Respekt wird gewünscht, offiziell kein Fluchen, kein Spam, keine Pornografie o.ä. Einige „Gebote“ haben etwas von einer erzieherischen Maßname: „Du sollst nicht vom Thema abkommen und den roten Faden beibehalten.“ (Gebot 8). Auffällig sind die Formulierungen, die mich sehr an den Dekalog erinnern: „Du sollst nicht ...“! Mit meiner Anmeldung im Forum stimme ich den „10 Asia-Zone Forum Geboten“ zu. Einige der „Gebote“ werden in Frage gestellt, ihre Existenz wird unter anderem mit Verweis auf die Außenwirkung des Forums begründet.



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6.6.05

 

Wie öffentlich ist die asia-zone.de?

Soll ich mich in der asia-zone.de bemerkbar machen bzw. bei den Webmastern um Erlaubnis fragen? Die erste Frage die ich mir stelle, ist: „Wie öffentlich ist die asia-zone.de?“ Ein Grossteil der Seite kann ohne Anmeldung eingesehen werden und auch im Forum kann „als Gast“, d.h. ohne verifizierte Anmeldung (über eine E-Mail Adresse zum Beispiel) geschrieben werden. Einige Bereiche der Seite – die Profilseiten der BenutzerInnen nämlich – können nur nach vorheriger Anmeldung eingesehen werden. Das Gleiche gilt für alle Bereiche in den Credits verbraucht werden, wie in den privaten Gästebüchern. Für die Anmeldung gibt es keine besonderen Vorraussetzungen. Ich muss keiner speziellen Nationalität oder Altergruppe angehören, noch eine bestimmte Herkunft angeben oder andere Kriterien erfüllen. Mein Eindruck ist, dass sich die asia-zone.de vorrangig über Werbung finanziert, und dafür eine möglichst große Anzahl von BenutzerInnen vorweisen muss, die übrigens auch Werbung per E-Mail erhalten. Die Statistik zählt momentan über 11.000 BenutzerInnen, die alle regelmäßig mit Werbung angeschrieben werden! Meine Vermutung ist, dass deswegen eine Anmeldung nötig ist, immerhin bekommt eine/r als angemeldete BenutzerIn auch Webspace zur Verfügung gestellt, der bezahlt werden muss.

Ich bin mir lediglich nicht ganz im klaren, ob ich eventuell gegen das (schwammig formulierte) Copyright verstoße. (?) Fallen meine Berichte unter die Floskel „jede Art der Weiterverwendung“? In dem Fall müsste ich eigentlich um Genehmigung fragen. Generell denke ich aber, dass ich nicht direkt Inhalte (der Inhalte wegen) kopiere, insbesondere, da ich in meinen Berichten mittlerweile noch stärker anonymisiere und Inhalte paraphrasiere.

Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die asia-zone.de ein besonders prekärer, geschützter Raum ist – ganz im Gegenteil denke ich, dass sich hier Menschen bewusst öffentlich präsentieren und aus diversen Kommentaren im Forum (u.a.: „Die 10 Asia-Zone Forum Gebote“) entnehme ich auch, dass sich zumindest einige BenutzerInnen der Öffentlichkeit ihrer Einträge bewusst sind. Im Falle einer Anfrage bei den Webmastern befürchte ich, dass dies unnötige Unruhe verursachen würde und eventuell sogar thematisiert werden könnte. Die Konsequenz, die ich für den Moment aus diesen Betrachtungen ziehe ist, dass einen Hinweis auf meine Feldbeobachtung und einen Link, sowohl auf die Homepage meiner Dozentin, als auch auf mein Feldbericht-Blog (http://imfeld.blogspot.com) auf meiner Profilseite unterbringen werde. Sollte ich mich dazu entschließen, mich im Forum zu Wort zu melden, werde ich ebenfalls eine Signatur mit diesem Inhalt erstellen.

Einige Dinge haben sich in der letzten Woche geändert. In nächster Zeit wird wahrscheinlich das Forum mehr Andrang haben, weil nun auch hier Credits für Neuanmeldungen und geschriebene Einträge vergeben werden. (Heute sind es 296 BenutzerInnen mit 23012 geschriebenen Einträgen.) Außerdem kann eine/r sich jetzt als „Männlein“ oder „Weiblein“ in der asia-zone.de anmelden (siehe Bericht vom 25.04.05). Offenbar wird auch an einem neuen Layout gebastelt.

Tatsächlich scheint im Forum mehr zu passieren, ich habe den Eindruck, dass es mehr Einträge gibt und vor allem, dass unbekannte Nicks auftauchen. Heute ist mir der Thread „Sind Inder und Araber Asiaten?“ aufgefallen. Hier wird unter anderem ‘Ausländer-Sein’, ‘Rasse’ und ‘Rassismus’ diskutiert. Interessant ist die klare Abgrenzung einiger zwischen ‘uns’ und ‘den anderen’ bei gleichzeitiger Betonung der westlichen Sozialisation in Deutschland. Welche Identitäten und Abgrenzungen bilden sich hier um das Konzept der Rasse und wie wird das ganze im deutschen Kontext verhandelt?



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